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Umgang mit Stinkstiefel Teil 9: Der Anfänger

Ein Anfänger ist jemand, der vor kurzer Zeit im Unternehmen eingestellt wurde. Es gibt Anfänger, die frisch aus der Schule oder vom Studium kommen und noch überhaupt keine Erfahrung im Berufsleben haben und andere, die zwar schon gearbeitet haben, aber beispielsweise in der Branche noch keine Erfahrungen gesammelt haben.

Beim Anfänger handelt es sich um keinen klassischen Stinkstiefel, wie etwa beim Schweiger oder bei der Eistonne, trotzdem ist der Anfänger neu im Unternehmen und benötigt vermutlich Beratung und Anleitung und nur aus diesem Grund habe ich ihn auch in diese Sammlung hier aufgenommen. Wenn Du einen Anfänger ins Team bekommst, dann plane Dir Zeit dafür ein, ihn in die Spur zu bekommen, damit er allmählich Fahrt aufnehmen kann oder nominiere jemand anderen aus dem Team dafür – oder mach beides.

Viele Manager sind der Meinung, die Anfangsphase dauert drei bis fünf Jahre. Aber aus meiner Sicht kann man das nie so genau beziffern, weil es vor allem von der Branche und der spezifischen Tätigkeit des Anfängers abhängig ist. Wenn jemand neu in der Buchhaltung beginnt, wird er die genau definierten Prozesse bald erlernt haben und rasch Fahrt aufnehmen, als Neuling im Außendienst kann sich das schon schwieriger gestalten und die Lernkurve wird etwas länger sein.

Der Vorteil von Anfängern mit wenig Berufserfahrung ist die große Lernbereitschaft und der grundsätzliche Wille, Vorgesetzte zufriedenstellen zu wollen. Sie haben meistens keine schlechten Angewohnheiten, die man ihnen mühsam abgewöhnen muss. Dazu befinden sie sich meistens am unteren Ende der Einkommenshierarchie im Unternehmen. Die Kehrseite der Medaille ist, dass man sie sozusagen ernähren und erziehen muss, bis sie zu vollwertigen Arbeitskräften werden. Sie brauchen Betreuung und Anerkennung, um wachsen zu können. Das kostet natürlich Energie und Ressourcen.

Beispiel:

Hannes ist vor kurzem ins Unternehmen eingetreten, gleich kurz nachdem er seinen Bachelor im Marketing gemacht hat. Roland ist ebenfalls neu im Marketing, er war allerdings schon länger im Unternehmen in der Einkaufsabteilung tätig. Beide sind Anfänger. Roland hat Arbeitserfahrung, Hannes nicht. Hannes wurde wegen seiner guten Ausbildung eingestellt, Roland hat ein smartes Auftreten und zeigt große Bereitschaft, sich im neuen Themenfeld weiterzubilden.

Wer wird wohl länger Anfänger bleiben: Hannes oder Roland? Die meisten würden an dieser Stelle wahrscheinlich auf Hannes tippen, weil er weniger Lebens- und Berufserfahrung als Roland hat und jünger ist. Aber in der Realität ist es nahezu unmöglich, vorherzusagen, wer von den beiden schneller in den Job findet. Das hängt nicht nur von der Vorgeschichte ab, sondern in erster Linie auch von den charakterlichen Eigenschaften und der Motivation.

In diesem Fall war es Roland, der sich besser in der Abteilung eingefunden hat. Ausschlaggebend dafür war seine offene Art und damit verbunden keine Scheu, „dumme“ Fragen zu stellen und so immer dazuzulernen. Hannes dagegen ist grundsätzlich eher introvertiert, was bei dieser Team-Konstellation einfach hinderlich war. Das kann in einem anderen Unternehmen in einem anderen Team mit anderen Charakteren ganz anders aussehen.

Welche Schäden richten Anfänger an?

  • Anfänger wollen abliefern. Aber oft wissen sie nicht, wie sie das anstellen sollen. Also arbeiten sie einfach einmal drauf los und schauen, was passiert. Das ist eine gute Zeit, um diese Person und ihre Arbeitsweise genauer kennenzulernen. Verstrickt er sich in Details? Ist er unpünktlich? Wird er schnell ungeduldig? Das ist noch kein echter Schaden, aber er wird zu einem, wenn Du nicht aufmerksam bist und frühzeitig auf diese Verhaltensweise reagierst und versuchst, korrigierend einzugreifen.
  • Schütze das Investment des Unternehmens. Ja, ein Anfänger ist ein Investment. Da ist es nur logisch, dass Du ihn nicht verlieren willst, nachdem ihr Monate damit verbracht habt, ihn einzustellen und zu coachen. Achte auch auf das Umfeld des Anfängers. Er selbst wird nicht gleich erkennen, welche Kollegen gut für ihn sind und welche ihm schaden. Aber eine Eistonne in seiner Nähe ist jedenfalls keine gute Idee, also sorge in so einem Fall für einen gewissen Abstand, um den Anfänger nicht gleich diesem Druck auszusetzen. Sonst gibt er vielleicht unnötigerweise nur deswegen auf und das Investment ist verloren.
  • Viele Führungskräfte erwarten gleich zu Beginn zu viel von ihren Anfängern und geben ihnen nicht den nötigen Raum, sich langsam zu entwickeln. Das passiert oft, weil Abteilungen unter Druck sind, da ihnen Mitarbeiter abhanden gekommen sind, die nun wieder dringend vollwertig nachbesetzt werden müssen, weil der Workload so groß ist. Der eigentliche Fehler hier wurde schon viel früher gemacht: niemand hat darauf geachtet, für eine Ausfallsicherheit zu sorgen.
  • Anfänger machen mehr Fehler als langgediente Mitarbeiter. Daher ist es wichtig, sie in einem Umfeld einzusetzen, wo Fehler erlaubt sind und keine gravierenden Auswirkungen haben, damit sie davon lernen und sich weiterentwickeln können. Regelmäßige Feedback-Gespräche sind hier sehr wichtig, um abschätzen zu können, wie die Entwicklung voranschreitet. Man darf den Anfänger aber auch nicht in einen goldenen Käfig sperren, da er in so einem Umfeld nichts dazulernt und dann in seiner Entwicklung stecken bleibt.
  • Es ist wichtig, zwischen „guten“ und „bösen“ Fehlern zu unterscheiden. Vertrauliche Informationen nach außen zu plaudern, ist beispielsweise ein böser Fehler. Nur weil Du darauf vorbereitet bist, dass der Anfänger mehr Fehler machen wird als andere, heißt das noch lange nicht, dass auch alle davon akzeptabel sind. Böse Fehler, vor allem, wenn sie sich dann auch noch wiederholen, sind mittelfristig ein klares Zeichen dafür, dass Du die falsche Person eingestellt hast. Vielleicht hat er sich beim Einstellungsgespräch gut verstellt oder es war einfach nicht vorauszusehen. Nicht immer funktioniert die HR-Kristallkugel. Was dann? Sich von ihm trennen oder in eine andere Abteilung versetzen? Auf jeden Fall sind Maßnahmen erforderlich, die dafür sorgen, dass sich der böse Fehler nicht wiederholt.

Welche konkreten Handlungsempfehlungen gibt es für den Umgang mit Anfängern?

  • Suche Dir mehrere Kollegen, die dem Anfänger helfen können! Der Anfänger wird sich besser entwickeln, wenn er von mindestens zwei unterschiedlichen Persönlichkeiten angeleitet wird und so unterschiedliche Stile und Methodiken kennen lernt, wie man einen Job erledigen kann. So kann er sich das Beste aus allen Welten selbst zusammensuchen und kopiert nicht das Verhalten eines Kollegen mit all seinen Vor- aber auch Nachteilen.
  • Gib dem Anfänger regelmäßig Feedback! So ziemlich jeder von uns gedeiht, wenn er gelobt wird, aber der Anfänger befindet sich in ungewohnter Umgebung und ist daher abhängig von Feedback. Wenn Dich ein Anfänger fragt, wie er sich bei einer bestimmten Aufgabe macht, dann gib ihm eine ehrliche Antwort darauf. Frage ihn nicht, was er denkt, wie er sich so macht, sondern sage es ihm einfach. Er braucht Klarheit. Mache Dir das zur Angewohnheit und versuche mindestens zwei bis drei Mal in der Woche Feedback zu geben. Das ist in etwa so, wie wenn man sich vornimmt, drei Mal am Tag Obst zu essen. Am Anfang wirkt es ungewöhnlich, aber mit der Zeit wird es völlig normal.
  • Überprüfe das Schulungsmaterial in Deinem Unternehmen! Die Arbeit und das dafür erforderliche Wissen ändern sich ständig. Daher müssen auch die Trainingsmethoden und das Schulungsmaterial in regelmäßigen Abständen einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Nicht mehr benötigte Unterlagen sollten dabei sofort entfernt werden. Sie kosten nur unnötig Zeit und verwirren den Anfänger, der ohnehin schon genug zu lernen hat.
  • Sieh Dir selbst wieder einmal die Mitarbeitervorschriften an! In den meisten Unternehmen bekommen neue Mitarbeiter ein Dokument in die Hand, in dem beschrieben ist, wie man sich im Unternehmen zu verhalten hat. Oft muss auch noch bestätigt werden, dass man die Vorschriften gelesen und zur Kenntnis genommen hat. Viele dieser Vorschriften sind für Anfänger verwirrend oder nicht logisch, weil sie die Hintergründe nicht kennen. Geh sie also gemeinsam mit ihm durch, erkläre ihm Hintergründe und stehe ihm für seine Fragen zu Themen wie Krankmeldungen oder Ausfüllen von Urlaubsanträgen zur Verfügung.
  • Schaffe das Umfeld für eine offene Fehlerkultur! Wenn der Anfänger sieht, dass niemandem der Kopf abgerissen wird, wenn einmal etwas daneben geht, dann wird er natürlich trotzdem Fehler machen. Aber er wird keine Angst davor haben, in Dein Büro zu kommen und mit Dir über diese Fehler zu sprechen.
  • Suche nicht mit der Lupe nach Fehlern, wo keine sind! Wenn Du keine Fehler von Deinem Anfänger im Team erkennen kannst, dann sorge Dich nicht darüber, dass Du die möglichen Fehler nicht siehst, sondern sei glücklich darüber, dass Du mit ihm scheinbar einen Volltreffer gelandet hast.

Zusammenfassend:

Mit einem Anfänger zu arbeiten ist, wie ein leeres Blatt Papier vor sich zu haben, das beschrieben werden möchte. Der Anfänger hat noch keine Geschichte in Deinem Unternehmen und auch noch keine Erfolge vorzuweisen. Um ihn in Form zu bringen, musst Du ein wenig Zeit und Energie investieren und ihn coachen, ausbilden, motivieren und regelmäßig „pflegen“.

Nur deswegen ist der Anfänger in der Liste der Stinkstiefel angeführt: egal wie viele Fähigkeiten er schon mitbringt oder wie schnell er sich Dinge aneignen kann, der Nachteil ist immer, dass er noch eine steile Lernkurve zu bewältigen hat, bis er endlich zum „vollwertigen“ Mitarbeiter wird. Gerade zu Beginn, wenn der Anfänger seine ersten Schritte macht, geht dieser Lernfortschritt sehr langsam voran. Da heißt es, immer schön geduldig zu bleiben und mit dem Anfänger zu arbeiten. Nimm Dir also bei der Ankunft eines Neulings immer vor, Zeit mit ihm zu verbringen und die Erwartungen nicht gleich vom ersten Tag an zu hoch zu schrauben und halte das so lange durch, bis dem Anfänger Flügel gewachsen sind und er alleine fliegen kann.

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Martin Schmidt

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