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10 weitere Fehler neuer Führungskräfte: #11 Du drückst Dich vor wichtigen Entscheidungen!

Horst weiß nicht, was er machen soll. Als Nachfolger von Peter, der innerhalb des Unternehmens seinen Job gewechselt hat, haben sich zwei aussichtsreiche Kandidaten beworben. Innerhalb des Unternehmens hat sich Elvira Schön beworben.  Da sie schon lange hier arbeitet, kennt sie die Gepflogenheiten des Unternehmens und man bräuchte sie nicht lange einarbeiten. Daneben war auch noch die Bewerbung von Felix Meier sehr interessant. Er arbeitet seit ein paar Jahren beim Mitbewerb und könnte einiges an Insiderwissen mitbringen…Beide haben ihre Vor- und Nachteile und Horst fällt es extrem schwer, eine Entscheidung zu treffen. Also kümmert er sich zunächst um andere Dinge, die er zu erledigen hat und verschiebt die Auswahl um ein paar Tage. Als er sich endlich für Frau Schön entschieden hat, teilt die ihm mit, dass sie mittlerweile einen anderen Job angenommen hat und das Unternehmen verlassen wird. Herr Meier steht ebenfalls nicht mehr zur Verfügung, weil er in der Zwischenzeit ein besseres Angebot eines Headhunters angenommen hat. Was für ein Schlamassel. Das hat Horst gründlich vergeigt…

So wie es Horst ergangen ist, geht es vielen Führungskräften.

Sie drücken sich so lange vor wichtigen und schwierigen Entscheidungen, bis letztendlich gar keine Optionen oder nur noch eine Entscheidungsalternative zur Verfügung steht. Sie haben damit sozusagen die Entscheidungsmacht abgegeben und das Schicksal für sich entscheiden lassen. Aus der Entscheidungsmacht ist somit eine Ohnmacht geworden.

In vielen Fällen ist das nicht so schlimm und hat keine großen Auswirkungen, manchmal kann sich so eine Verhaltensweise allerdings als äußerst fatal erweisen.

Das Problem dabei ist: die meisten Führungskräfte warten mit ihrer Entscheidung einfach so lange, weil sie die gesamte Sachlage ihrer Meinung nach noch nicht gut genug überblicken. Doch in dieser Rolle muss man sich einfach daran gewöhnen, Entscheidungen auch dann zu treffen, wenn noch nicht alle gewünschten Informationen zur Verfügung stehen. Erfahrungsgemäß ist das nämlich so gut wie nie der Fall.

Es gehört schlicht und einfach zu den Aufgaben einer Führungskraft, in einem angemessenen Zeitraum Entscheidungen zu treffen.

Das Risiko einer Fehlentscheidung ist dabei immer vorhanden, doch mit diesem Entscheidungsrisiko gilt es, leben zu lernen. Je höher man in einer Hierarchie aufsteigt, desto schwerwiegender und auch unangenehmer werden die Entscheidungen. Heute geht es vielleicht nur um die Auswahl eines geeigneten Lieferanten für das Büromaterial, mit zunehmender Verantwortung steht man jedoch vielleicht einmal vor der Entscheidung, Niederlassungen zu schließen oder ganze Abteilungen zu kündigen.

Innerhalb der Abteilung führt so ein Entscheidungsvakuum meistens zu Frustration und Demotivation unter den Mitarbeitern. Vor allem jene, die besonders engagiert und motiviert sind, trifft es dabei am Härtesten, weil sie sich in ihrem Engagement „ausgebremst“ fühlen.

Wie sieht es bei Dir aus mit Entscheidungen? Bist Du ein konsequenter Entscheider oder drückst Dich auch Du manchmal vor wichtigen und/oder schwierigen Entscheidungen?

Mein wichtigster Tipp in diesem Zusammenhang: Hab keine Angst vor Fehlentscheidungen. Überlege Dir zuerst, ob Deine Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt noch ohne großen (finanziellen und zeitlichen) Aufwand revidierbar ist. Ist dies der Fall, kannst Du sofort eine Entscheidung treffen. Das spart Dir eine Menge Zeit und Energie und Du wirst überrascht sein, wie hoch die Quote an Entscheidungen sein wird, die Du nicht mehr revidieren musst.

Natürlich lässt sich das nicht bei allen Entscheidungen anwenden. Wenn es um Themen geht, die den Unternehmenserfolg langfristig beeinflussen, wie beispielsweise die Entscheidung für eine bestimmte Software, den Namen für ein Produkt oder die Auswahl eines Standortes, kann eine schlechte Entscheidung weitreichende Konsequenzen haben und gehört gut durchdacht. Doch auch hier gilt: Du wirst nie alle gewünschten Informationen für Deine Entscheidung zur Verfügung haben. Es gibt in solchen Fällen auch meistens nicht die eine perfekte Lösung, sondern immer nur Möglichkeiten mit einer unterschiedlichen Anzahl an Pros und Contras.

Auch nach der sorgfältigsten Abwägung hat sich das Risiko einer Fehlentscheidung zwar erheblich minimiert, ganz ausgeschlossen ist es jedoch nie. Deshalb ist es einfach irgendwann – und mit irgendwann ist in diesem Fall besser früher als später gemeint – an der Zeit, ein kalkuliertes Risiko einzugehen und eine Entscheidung zu treffen.

Die Angst vor einer Fehlentscheidung kann mit folgender Fragestellung minimiert werden:

Was kann im schlimmsten Fall passieren?

Wenn Du Dir das Horrorszenario aller zur Verfügung stehenden Optionen ansiehst und miteinander vergleichst, dann lichtet sich oft der Wald und das Entscheidungsbild wird klarer.

Es wird nicht ausbleiben, dass Du irgendwann schlechte Entscheidungen triffst. Hab keine Angst davor:

Richtige Entscheidungen trifft man mit Erfahrung – und zu Erfahrung gelangt man oft durch falsche Entscheidungen. Du verlierst also im Grunde genommen nie: Du gewinnst – oder Du lernst!

Hab auch keine Angst, Fehlentscheidungen zuzugeben und sie gegebenenfalls noch zu revidieren. Es zeugt von Größe, zuzugeben, dass man sich auf dem Holzweg befunden hat. Schwach wäre es hingegen, den falschen Weg nur deswegen fortzusetzen, um seinen Fehler zu vertuschen und damit die Situation in den meisten Fällen noch einmal zu verschärfen.

Es gibt einige Methoden und Werkzeuge, die Dir dabei helfen können, vernünftige Entscheidungen zu treffen.

Im Folgenden möchte ich Dir ein paar davon vorstellen:

Faktensammlung (CAF-Methode):

Bei der CAF-Methode (CAF steht für „consider all facts“) erstellst Du Dir entweder eine Excel-Tabelle mit drei Spalten oder – falls Du es etwas puristischer magst – Du zeichnest einfach besagte drei Spalten auf ein Blatt Papier.

In die erste Spalte schreibst Du nun alle Einflussfaktoren, die für die Entscheidung relevant sein können. In der zweiten Spalte weist Du dem jeweiligen Einflussfaktor eine Priorität zu. Bewährt hat sich die Kategorisierung nach „erfolgsentscheidend“, „zu beachten“ und „unwichtig“.  Falls Du mit Excel arbeitest, kannst Du die Tabelle nun zusätzlich entsprechend nach Priorität sortieren. In die dritten Spalte kommen Deine Notizen und Ideen zu dem jeweiligen Einflussfaktor. Das hilft Dir vor allem auf die Sprünge, wenn Du die Tabelle zu einem späteren Zeitpunkt wieder zur Hand nimmst, um Dir Deine genauen Überlegungen noch einmal in Erinnerung zu rufen.

  • Vorteil der Methode: Du bekommst einen Überblick über alle Einflussfaktoren und deren Wichtigkeit.
  • Nachteil der Methode: Klare Antworten bekommst Du dadurch leider noch nicht.

Pro-Kontra-Liste

  • Bei dieser Methode kannst Du wieder mit Excel oder einem Blatt Papier arbeiten. Du notierst Dir in der ersten Spalte alle Entscheidungsmöglichkeiten. In der zweiten Spalte listest Du die Vorteile zu jeder Möglichkeit auf, in der dritten Spalte die Nachteile. Die vierte Spalte ist wieder für Deine Ideen, Notizen und Anmerkungen.
  • Vorteil der Methode: Du siehst alle Entscheidungsmöglichkeiten und deren jeweiligen Vor- und Nachteile auf einen Blick.
  • Nachteil der Methode: Auch diese Methode führt zu keinen eindeutigen Ergebnissen, zeigt Dir aber zumindest eine Tendenz an, in welche Richtung es gehen sollte. Es sollte dadurch möglich sein, den Entscheidungsspielraum zumindest einzugrenzen.

Entscheidungsmatrix

Die Entscheidungsmatrix ist meine bevorzugte Entscheidungsfindungs-Methode.

Auch hier kannst Du Dich wieder zwischen Excel und einem Blatt Papier entscheiden, ich würde Dir aber in dem Fall zu Excel raten.

In der ersten Spalte notierst Du wie schon bei der Pro-Kontra-Liste alle in Frage kommenden Entscheidungsmöglichkeiten.

Dazu überlegst Du Dir Kriterien, nach denen Du die Entscheidung beurteilen kannst. Wenn es um die Einstellung eines neuen Mitarbeiters geht, könnten die Kategorien beispielsweise „Berufserfahrung“, „Unternehmenserfahrung“, „Kosten“ und „Sympathie“ lauten.

Zu jeder Entscheidungsmöglichkeit vergibst Du dann nach einem von Dir definierten Punktesystem (zB. Schulnoten oder eine Skala von 1 bis 10) Punkte oder Noten, die zeigen, wie gut jedes einzelne Kriterium erfüllt wird.

In der letzten Spalte addierst Du die Werte aus den einzelnen Kategorien und erhältst somit eine Gesamtpunktezahl für jede Entscheidungsmöglichkeit.

  • Vorteil der Methode: Du erhältst ein Ranking und somit ein eindeutiges Entscheidungsergebnis (ausgenommen, Entscheidungen haben die gleiche Punktezahl, dann könntest Du die einzelnen Kategorien auch noch unterschiedlich gewichten und die Punktezahl mit der jeweiligen Gewichtung multiplizieren, dabei handelt es sich dann um die sogenannte „Nutzwert-Analyse“).
  • Nachteil der Methode: Es handelt sich dabei um ein reines Zahlenergebnis, dass Dein Bauchgefühl und Deine Intuition wenig bis gar nicht berücksichtigt.

Szenario-Analyse

Bei der Szenario-Analyse wagst Du den Blick in die Kristallkugel und versuchst, Entwicklungen in der Zukunft zu erkennen.

Auch hier kannst Du in der ersten Spalte wieder alle möglichen Entscheidungsmöglichkeiten anführen. Die zweite und dritte Spalte sind für die zwei Extrem-Szenarien reserviert: Best Case und Worst Case. Also: was kann im besten Fall passieren und was kann im schlimmsten Fall passieren. Je nach Vorliebe kannst Du noch ein bis zwei weitere Szenarien hinzufügen, beispielsweise den „Real Case“ (was tritt am wahrscheinlichsten ein?) und ein „Option Case“ (was wäre ein zusätzlicher Vorteil dieser Entscheidung?).

  • Vorteil der Methode: Du spielst viele Szenarien durch und erhältst dadurch ein breites Entscheidungs-Spektrum.
  • Nachteil der Methode: Mit der Szenario-Analyse kannst Du den Rahmen des Möglichen überlegen. Wie wahrscheinlich Deine Zukunfts-Analysen sind, lässt sich dadurch aber leider nicht vorhersagen.

Achtung: hüte Dich bei Entscheidungen vor dem „Confirmation Bias“ (Bestätigungsfehler)!

Dabei handelt es sich – vereinfacht ausgedrückt – um die Neigung, Informationen so auszuwählen und zu interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen erfüllen bzw. bestätigen.

Unser Gehirn hat einfach die Tendenz, neue Informationen so zu interpretieren, dass sie bestehende Vorannahmen unterstützen.

Dass es den Confirmation Bias tatsächlich gibst, hast Du sicher schon einmal bemerkt, wenn Du versucht hast, einen Gesprächspartner von Deiner Meinung zu überzeugen.

Dabei werden oft die besten Argumente und die besten Erwiderungen  oder manchmal sogar unwiderlegbare Fakten einfach beiseite gewischt und erzielen keinen Effekt. Im Normalfall nehmen wir das als Sturheit wahr, in vielen Fällen ist Dein Gesprächspartner einfach Opfer des Bestätigungsfehlers.

Du bist dem Confirmation Bias aber nicht hilflos ausgeliefert. Die folgenden Tipps können Dir dabei helfen, den Effekt zumindest abzuschwächen:

  • Erweitere Deinen Horizont: lerne neue Leute kennen und sieh Dir nicht immer die gleichen Seiten im Internet an. Deine Timeline auf Facebook ist beispielsweise ein klassischer Fall für den Bestätigungsfehler, weil Du nur Informationen von Quellen erhältst, die Du Dir vorher ausgewählt hast.
  • Hinterfrage Dich regelmäßig: mach Dir bewusst, dass Deine Wahrnehmung nicht zwangsläufig richtig sein muss. Vielleicht hat Dein Mitarbeiter dieses Jahr gute Arbeit geleistet, aber Du beurteilst ihn im Mitarbeiter-Gespräch wieder nicht gut, weil das schon in den Vorjahren so war und er sich ja sicher nicht geändert hat.
  • Gehe davon aus, dass der andere recht hat: das führt dazu, dass Du nicht sofort auf die Richtigkeit Deiner Hypothese bestehst. Wenn Dir das schwerfällt, versuche zumindest, eine neue, neutrale Position einzunehmen. Das hilft Dir zusätzlich dabei, die Ansichten Deines Gesprächspartners besser zu verstehen und gute Kompromisslösungen zu entwickeln.

Übungsaufgabe:

Vergleiche die aufgelisteten Methoden der Entscheidungsfindung anhand einer Entscheidungsmatrix und finde so heraus, welche Methode für Dich am besten funktioniert. Überlege Dir dazu mindestens drei Entscheidungskategorien und ein geeignetes Punktesystem.

Hinweis:

Das komplette Buch bzw. ebook zur Blog-Serie kannst Du hier erwerben!

Martin Schmidt

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