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Umgang mit Stinkstiefel Teil 7: Der Hilfsbereite

Jemanden im Team zu haben, dem es leicht fällt, mit anderen ins Gespräch zu kommen und der mit so ziemlich jedem gut auskommt, ist grundsätzlich eine wunderbare Sache. Diese Person bietet beispielsweise hervorragenden Kundenservice und übernimmt auch gerne Beschwerden oder ist eine große Hilfe dabei, wenn es darum geht, den Schweiger, den Anfänger oder das Übersensibelchen in die Gruppe zu integrieren.

Auf dem Stinkstiefel-Radar leuchtet der Hilfsbereite eigentlich nur auf, wenn Aufgaben im Team nicht rechtzeitig fertiggestellt werden. Durch ihren Rundum-Einsatz „vergisst“ der Hilfsbereite nämlich, was sein eigentlicher Job ist und Deadlines sind für ihn nicht mehr als ein Vorschlag.

Das Problem dabei ist, dass nicht nur er selbst unpünktlich abliefert, oft hält er auch andere Mitarbeiter von ihrer Arbeit ab, weil er sie in lange Gespräche verwickelt.

Beispiel:

Bernd arbeitet in seinem Unternehmen im Kundenservice. Viele Kunden kennt er schon ziemlich gut und kann Dir viel über sie erzählen, weil er sich am Telefon oft lange mit ihnen unterhält. Als der Kundin Frau Schneider die Gallensteine entfernt wurden, schickte er ihr eine Karte. Sie ruft öfter bei ihm einfach „nur so“ an und dann unterhalten sie sich eine Weile über ihren aktuellen Gesundheitszustand. Als seine Kollegin Lisa verkündete, dass sie ihr nächster Urlaub nach Thailand führen werde, brachte Bernd ihr einen Reiseführer und erzählte ihr lange und ausführlich von seinen eigenen Urlaubserfahrungen in Thailand. Er hat ihr sogar eine ausführliche E-Mail mit seinen Insider-Tipps für den Urlaub geschrieben.

Viele Kollegen schätzen die hilfsbereite und nette Art von Bernd. Doch Bernds Teamleiter gerät zusehends unter Druck von seinen Vorgesetzten, weil die Produktivität in seinem Team viel zu niedrig ist und sich in letzter Zeit die Bearbeitungsdauer von eingehenden E-Mails drastisch erhöht hat. Das hat auch schon zu Kundenbeschwerden geführt.

Als der Teamleiter im nächsten Team-Meeting die Mannschaft mit diesen Tatsachen konfrontiert, wirkt Bernd etwas konsterniert. Er bemüht sich zwar daraufhin, die Gespräche mit den Kunden kurz zu halten, doch dafür passieren ihm in der Bearbeitung der Anliegen immer wieder Fehler und seine Art, die Gespräche zu beenden, werden von vielen Kunden als schnippisch empfunden und sie können sich auch keinen Reim darauf machen, was aus dem einst so hilfsbereiten Sachbearbeiter geworden ist.

Welche Schäden richten Hilfsbereite an?

  • Der Hilfsbereite ist nicht zuverlässig. Ein langjähriger Mitarbeiter, der immer in der Rolle des Hilfsbereiten war, kann sich auch nicht mehr von heute auf morgen ändern. Verzögerungen und Fehler sind dann immer die logische Konsequenz.
  • Manche Kollegen werden auch die Beweggründe des Hilfsbereiten kritisch hinterfragen. Nicht bei allen ist so ein Verhalten willkommen und wirkt manchmal sogar verdächtig. Frau Schneiders Ehemann beispielsweise hatte wenig Freude mit der Karte, die seine Frau von Bernd bekam und hinterfragte die Motive dafür. Führungskräfte können nicht bestimmen, was ihre Mitarbeiter denken. Extremes beziehungsweise ungewöhnliches Verhalten kann oft der Auslöser sein für unfreundliche Auswirkungen.
  • Hilfsbereite wissen oft zu viel. Wenn man jemand anderem etwas mehr erzählt, als man eigentlich wollte, bereut man das oft, weil man befürchtet, dass dieses Wissen auch einmal gegen einen verwendet werden kann.  Die Konsequenz kann nun sein, dass derjenige, der zu viel erzählt hat, den Hilfsbereiten diskreditiert, um seine Integrität und Glaubwürdigkeit zu untergraben. Weitere Konflikte sind vorprogrammiert und als Vorgesetzter hat man oft keine Ahnung, was hier gerade abgeht.
  • Hilfsbereite haben oft ein übermäßiges Bedürfnis nach körperlichen Kontakten. Das mündet dann oft in freundschaftliche Berührungen und Umarmungen. In Zeiten von #metoo führt das sehr schnell zu Fehlinterpretationen und übler Nachrede, obwohl es eigentlich nett gemeint war. Die Grenzen hierbei werden vom Hilfsbereiten oft einfach nicht erkannt.
  • Die Freundlichkeit und das Übermaß an Hilfsbereitschaft untergräbt auch das Kompetenzempfinden beim Kunden. Es gibt Branchen, in denen ein hohes Maß an Perfektion gefragt ist, etwa bei der Sicherheit von Kraftwerken oder bei der Herstellung und Wartung von medizinischen Geräten. Da kann diese Herzlichkeit in manchen Fällen auf den Kunden schon verdächtig wirken.

Welche konkreten Handlungsempfehlungen gibt es für den Umgang mit Hilfsbereiten?

  • Setze den Hilfsbereiten dort ein, wo seine Eigenschaften zu Stärken werden. Bernd ist im „klassischen“ Kundenservice vielleicht nicht gut aufgehoben, weil es hier auch oft um Geschwindigkeit geht und keine Zeit für lange Erklärungen und zwischenmenschliche Gespräche gibt. Anders sieht es hier aber schon bei sehr erklärungsintensiven Produkten oder Dienstleistungen aus oder etwa in der Bearbeitung von komplexen Kundenanfragen oder Beschwerden. Natürlich geht so etwas nicht immer von einen Tag auf den anderen, aber gerade bei einer Nachbesetzung ergibt sich auch immer die Möglichkeit zu einer Verschiebung.
  • Beratschlage den Hilfsbereiten! Lass ihn wissen, dass Du ihn für seine sozialen Fähigkeiten sehr schätzt und dass es schön wäre, wenn er diese auch optimal in seinen Job einbringen könnte. Sag ihm beispielsweise: „Du kannst ausgezeichnet mit Menschen umgehen. Ich frage mich, wo im Unternehmen man diese Fähigkeit am Besten einsetzen sollte. Bei uns im Kundenservice ist das ja oft schwierig, weil jeder seinen Job erledigen muss und da halten zu viele Gespräche und andere Ablenkungen die anderen einfach von der Arbeit ab.“. Hebe die positiven Eigenschaften immer hervor und wenn der Hilfsbereite einen guten Tag hat, dann denkt er darüber nach und fängt an, mit Dir zu kooperieren. Übertrage ihm die Verantwortung für die Planung und Durchführung einer kleinen Büroparty oder mache ihm Euer „Freiwilligenprogramm“ schmackhaft, in dem er sich ehrenamtlich engagieren kann.
  • Sprich mit Deinen Mitarbeitern über Begriffe wie Ethik, Höflichkeit, Diplomatie und Professionalität! Vor allem, wenn Du mehr als einen Hilfsbereiten hast, müssen diese Themen offen angesprochen werden. Berufe dafür ein Sondermeeting oder einen Business Lunch ein und halte diese Rede selbst oder lasse einen professionellen Key-Note-Speaker ran, der sich mit dem Thema beschäftigt. Wenn Du den Vortrag selbst hältst, bitte die HR-Abteilung um entsprechende Unterstützung dabei. Erinnere Deine Mitarbeiter dabei daran, dass zu „chilliges“ oder „überfamiliäres“ Verhalten dazu führen kann, falsche Signale und Nachrichten an Kunden auszusenden.
  • Bitte Hilfsbereite um Unterstützung bei der Lösung von „menschlichen“ Problemen! Lade ihn ein, mit Dir über Themen wie hohe Abwesenheitsquoten, Unpünktlichkeit, Unproduktivität oder hohe Fluktuation nachzudenken. Du wirst überrascht sein, was der Hilfsbereite alles weiß, von dem Du keine Ahnung hattest: Babies, die schlaflose Nächte bereiten, ein neues Shopping-Center, in das viele Kollegen gerne gehen und deswegen früher Schluss machen, die geänderten Intervalle des Linienbusses, saisonale Hobbies oder vielleicht sogar der Mitbewerb, der versucht, Deine Leute abzuwerben und dabei auch erfolgreich ist, weil er seinen Mitarbeitern ein umfangreiches Sozialpaket anbietet oder regelmäßig Gewinnspiele und Verkaufswettbewerbe veranstaltet. Frag den Hilfsbereiten, wie er in solchen Situationen handeln würde und sei auch wirklich offen für aus Deiner Sicht ungewöhnliche oder unkonventionelle Vorschläge. Das löst Dir eventuell vorher für Dich unlösbare Aufgaben und bringt Dir nebenbei auch noch gute Publicity, wenn es sich rumspricht, dass Du beispielsweise dem frischen Elternpaar einen Babysitter für einen Abend engagiert und eine Nacht in einem Wellness-Hotel spendiert hast.
  • Nutze die Überzeugungskraft des Hilfsbereiten! Du selbst hast oft nicht die richtigen oder passenden Argumente, um Deine Mitarbeiter von den Vorteilen einer Handlung zu überzeugen. Hilfsbereite haben dafür aber ein besonderes Gespür, weil sie viele Hintergrundinformationen zu den einzelnen Personen haben und dadurch ganz genau wissen, wo sie ansetzen müssen. Du musst als Führungskraft nicht alles selbst machen, sondern kannst auch ganz gezielt die Stärken Deiner Mitarbeiter einsetzen. Solche Situationen sind optimale Möglichkeiten dafür, den Hilfsbereiten die Arbeit machen zu lassen.

Zusammenfassend:

Das Geschäftsleben ist eine ernst zu nehmende Angelegenheit und Hilfsbereite verniedlichen es manchmal einfach zu sehr. Das machen sie zwar nicht vorsätzlich, aber das spielt dabei keine Rolle. Konzentriere Dich also darauf, die zwischenmenschlichen Fähigkeiten der Hilfsbereiten zum Vorteil für das Unternehmen einzusetzen. Gib ihm auch ruhig Anerkennung für seine sozialen Leistungen. Fühle Dich aber nie zu sicher, wenn gerade alles gut und rund läuft, denn der Hilfsbereite läuft immer Gefahr, es wieder einmal mit seiner Hilfsbereitschaft zu übertreiben, weil er einfach die Grenze zwischen normaler, kollegialer Unterstützung und übertriebener Bemutterung nicht erkennen kann. Es von ihm anders zu erwarten, wäre unvorsichtig, also sei stets auf der Hut.

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Martin Schmidt

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