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Umgang mit Stinkstiefel Teil 6: Der Schweiger

Von wem auch immer das Sprichwort „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ stammt – er hat sicher nie mit einem Schweiger beruflich zu tun gehabt. Bei „normalen“ Mitarbeitern ist es einfach, an wichtiges Feedback zu gelangen, beim Schweiger wird das zur Schwerarbeit.

Wenn sich die Kommunikation auf ein paar Kopfbewegungen, soziale Grunzer und gelegentlich einen ganzen Satz beschränkt, kommen nur schwer neue Ideen zustande und wichtige Kritik oder Sorgen bleiben im Verborgenen.

Auch wenn der Schweiger seinen Job an sich zufriedenstellend erledigt, sollte man ihm als kluge Führungskraft eine individuelle Plattform bieten, bei der er imstande ist, zu kommunizieren. Andernfalls könnte es nämlich passieren, dass der Schweiger irgendwann ausbricht wie ein Vulkan.

Beispiel:

Eva isst immer alleine in der Mittagspause. Sie sitzt in der Kantine und hat vor ihr ein Buch ausgebreitet. Für die anderen ist das ein klares Signal und Eva ist sich dessen auch bewusst. Vor kurzem wurde von der Personalabteilung angekündigt, dass den Mitarbeitern im Unternehmen eine Zusatzversicherung angeboten wird, bei der man aus drei Optionen sein optimales Modell wählen kann. Die anderen Mitarbeiter diskutieren eifrig über die Vor- und Nachteile der einzelnen Optionen, doch Eva beteiligt sich nicht an den Gesprächen.

In der Verkaufsabteilung ist sie als Assistentin dafür zuständig, die Verkaufsberichte der einzelnen Verkäufer in die Datenbank einzugeben und sie nimmt auch am monatlichen Verkaufsmeeting teil, an dem auch alle Verkäufer aus allen Regionen anwesend sind. Ihr Vorgesetzter fragt sie in dem Meeting immer, ob sie auch Agendapunkte oder sonstige wichtige Informationen für ihre Kollegen hat, doch von Eva kommt so gut wie nie eine Wortmeldung. Dabei hätte sie den Verkäufern genug zu sagen, denn sie sitzt an der Quelle der Informationen und wäre an sich ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für die Abteilung.

Welche Schäden richten Schweiger an?

  • Team-Mitglieder halten zusammen, um ihre Ziele zu erreichen. Der Schweiger vermittelt den anderen aber nicht diesen Eindruck und dadurch entsteht ein „Wir“ und „Er“ bzw. „Sie“. Die anderen sind einfach irritiert vom Verhalten und ersetzen die fehlenden Worte des Schweigers durch eigene – meistens negative – Interpretationen. Sie fassen das Schweigen als ein „Ich will nicht mit Euch reden“ auf und halten den Schweiger für faul, arrogant oder schlampig. Dabei hat der Schweiger vielleicht einfach nur Angst, in der Gruppe zu sprechen oder Fehler zu machen. Es gibt viele gute Gründe dafür, aber keiner hat damit zu tun, dass sich der Schweiger vorsätzlich von der Gruppe abwendet.
  • Kommunikation ist im (Geschäfts-)leben der Schlüssel zum Erfolg. Wenn sich irgendjemand – aus welchem Grund auch immer – davon ausschließt, sabotiert er diesen Erfolg. „Jede Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied“ sagt ein bekanntes Sprichwort. Schweiger sind sehr schwache Glieder in der Kommunikationskette. Im hochkompetitiven Umfeld, in dem sich die meisten Unternehmen bewegen, verheißt das nichts Gutes. Wenn sich dann noch mehr als ein Schweiger im Team befindet, wird die Kette noch schwächer. Aktion bringt immer eine Reaktion. Direkte, geradlinige und ehrliche Kommunikation untereinander führt geradewegs zu diesen Reaktionen, während bei schweigen nichts passiert. Gute Führungskräfte hören das Gras schon sehr frühzeitig wachsen, wenn andere es noch nicht tun. Denke daran, dass auch der Schweiger einer der Grashalme dabei sein kann und sei entsprechend hellhörig, wenn einer oder mehrere in Deinem Team sind.
  • Schweiger sind oft isoliert oder verbannt. Ob er will oder nicht, sendet er unbewusst ein Signal aus, das impliziert, er sei besser als die anderen oder stünde über ihnen. Genau aus diesem Grund fällt er bei den anderen in Ungnade. Wichtige Informationen im Unternehmen erhält man oft im „Flurfunk“. Doch daran beteiligt sich der Schweiger nicht und so kann er diese Methode auch nicht nutzen, um weder einerseits Informationen zu erhalten und andererseits auch selbst welche zu streuen. Vielleicht spricht der Schweiger ja eine Fremdsprache oder benötigt in den nächsten Wochen ein paar Überstunden, um seine Finanzen aufzubessern. Seine Sprachkenntnisse könnten ihm einen beruflichen Aufstieg bringen und der Wunsch nach Überstunden könnte in Erfüllung gehen, weil gerade in einer anderen Abteilung großer Bedarf bestehen würde und die Kollegen sich darüber gerade in der Mittagspause unterhalten. Der Schweiger bleibt immer der Outsider und hat weniger Informationen als alle seine Kollegen. Dieses Informationsdefizit ist jedoch nicht nur sein Problem, es ist auch das Problem seines Vorgesetzten, seiner Kollegen und seiner Kunden.
  • Gemeinsame Teamziele und Teamzusammenarbeit sind integrale Bestandteile in fast jeder Arbeitsumgebung. Zusammenzuarbeiten, um eine Deadline zu halten, Umsatzziele zu erreichen, einen Wettbewerb zu gewinnen oder einen Kollegen zu unterstützen (beispielsweise, Geld zu sammeln, weil sein Haus überschwemmt wurde), sind ganz normale Tätigkeiten auf den meisten Arbeitsstätten. Der Schweiger wird jedoch zumindest solange von solchen Aktivitäten ausgeschlossen, bis es unvermeidbar ist, ihn zu integrieren, weil er die anderen einfach runterzieht und ihren Enthusiasmus und ihre Leidenschaft killt. Die Kollegen gehen schon immer vom schlimmsten aus, einfach, weil sie es nicht besser wissen können, weil ihnen der Schweiger ja nie etwas erzählt.

 

Welche konkreten Handlungsempfehlungen gibt es für den Umgang mit Schweigern?

  • Kümmere Dich generell um die Kommunikation im Team und im Unternehmen! Es gibt keinen Grund, den Schweiger von diesen Bemühungen auszuschließen. Ermutige Deine Mitarbeiter zu entsprechenden Weiterbildungsmaßnahmen, die sich mit dem Thema Kommunikation beschäftigen. Die Möglichkeiten dafür sind vielfältig: es gibt beispielsweise Seminare, interaktive Kurse, Coachings, Key-Note-Speaker und noch vieles mehr. Und ermutige sie vor allem, miteinander zu sprechen. Das mag in Zeiten von sozialen Netzwerken und Messengern zwar etwas „old-school“ klingen, ist aber noch immer unersetzbar.
  • Geh selbst mit gutem Beispiel voran! Zu einfach oder zu grundlegend denkst Du? Vielleicht, aber bevor Du vorschnell urteilst, beobachte einmal für einen Arbeitstag Deine Art, mit Vorgesetzten, Kollegen und Kunden zu kommunizieren und frage Dich dann, ob Du auch wirklich immer Dein gewünschtes Ergebnis damit erreicht hast. Stelle Dir dabei folgende Fragen:
    • Habe ich mich bei Erklärungen immer klar ausgedrückt oder haben meine Kollegen ständig nachgefragt, nachdem ich etwas erklärt habe?
    • Haben alle ihre Deadlines eingehalten? Wenn nicht, sollte ich vielleicht meine Anforderungen in übersichtlichere, „managebarere“ Happen unterteilen oder liegt es an etwas anderem?
    • Habe ich gut zugehört oder habe ich größtenteils Monologe geführt? (Zu guter Kommunikation gehört auch gutes Zuhören – auch wenn das bei vermeintlich brillanten Rhetorikern oft übersehen wird)
  • Führe Zwiegespräche mit dem Schweiger! Wenn Du den Schweiger aus seinem Schneckenhaus holen möchtest, stell ihm dabei ein paar Fragen, die er nicht einfach nur kurz beantworten kann. Höre ihm bei seinen Antworten gut zu und stelle ihm entsprechende Folgefragen. Gib ihm in diesen Zwiegesprächen die Möglichkeit, Dinge oder Sachverhalte ausführlich zu erklären. Notiere Dir dabei seine wertvollen Beobachtungen. Wenn das nächste Mal ein Meeting in kleiner Runde stattfindet, würdige den Schweiger für seine Beobachtungen oder stelle ihm eine Frage, die mit seinen Beobachtungen im Zusammenhang steht. Weil ihr ja schon vorher darüber gesprochen habt, wird er sich eventuell auch dazu ermutigt fühlen, vor der Gruppe zu sprechen, weil er ja auch endlich einmal etwas Wertvolles beitragen kann. Stelle ihm auch hier wieder möglichst offene Fragen, die er nicht mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten kann. Wiederhole diese Zwiegespräche in regelmäßigen Abständen. Kann sein, dass der Schweiger dann irgendwann von selbst beginnt, verstärkt zu kommunizieren.
  • Lass Deine Türe geöffnet! Wenn andere Mitarbeiter mit Dir sprechen wollen und Deine Tür ist geschlossen, kommen sie eben zu einem anderen Zeitpunkt wieder. Dem Schweiger ist das zu schwierig und er lässt es bleiben. Vermittle ihm also den Eindruck, dass er immer willkommen ist. „Und wann soll ich dann meine Arbeit erledigen?“ wirst Du Dich jetzt vermutlich fragen. Doch wenn Du als Führungskraft tätig bist, dann ist Kommunikation ein wichtiger Teil Deiner Arbeit, die Du auf keinen Fall vernachlässigen solltest. Mit der Zeit gewöhnen sich ohnehin alle daran, dass sie jederzeit zu Dir kommen können und werden es daher auch nicht ständig nützen. Wenn jemand unangekündigt reinkommt, bleib freundlich und hilf ihm dabei, schnell zum Punkt zu kommen. Dann könnt ihr beide schnell zu Eurer Arbeit zurückkehren. Sollte eine permanente „open-door-policy“ in Deinem Unternehmen nicht möglich oder gewünscht sein, dann halte zumindest jeden Tag in der Früh oder am Nachmittag für eine Stunde die Türe offen. Wenn der Schweiger dennoch nicht zu Dir kommt, dann sprich ihn direkt darauf an und sage ihm, dass Du Dich freuen würdest, wenn er auch ab und zu einmal bei Dir reinschauen würde.
  • Gib dem Schweiger seine 15 Minuten Ruhm! Wenn es möglich ist, stelle den Schweiger ins Rampenlicht und lobe ihn für seine Fähigkeiten. Vielleicht ist er ein ausgezeichneter Grafiker und hat die Unternehmensbeschilderung in den Gängen neu und besonders schön gestaltet. Frag bei den entsprechenden Kollegen nach, ob sie vielleicht darüber einen Artikel im nächsten Unternehmens-Newsletter bringen könnten. Das führt dazu, dass auch die Kollegen sehen, dass der Schweiger gute Arbeit leisten kann und das bricht eventuell das Eis. Diese Maßnahme hängt natürlich immer davon ab, wie gut man dabei ist, Erfolge aufzuspüren und wie kreativ man ist, diese zu veröffentlichen. Sensibilität ist also geboten.

Zusammenfassend:

Mache alles Mögliche, um dem Schweiger dabei zu helfen, seine Kommunikations-Skills zu verbessern. Gutfließende und zielgerichtete Kommunikation nährt den Erfolg in Deinem Team und Deinem Unternehmen. Klar ist es ganz einfach, einen Mitarbeiter zu ignorieren, der Dir nicht so ganz zum Gesicht steht oder nicht in den Rahmen passt. Besser ist es aber, geschickte Coaching-Methoden anzuwenden, die dem Schweiger dabei helfen, ein wertvoller Mitarbeiter zu werden. Die gute Nachricht ist: Schweiger können sich ändern und der Erfolg dabei kann sich schnell und dauerhaft einstellen. Mit der Zeit können ehemalige Schweiger sogar zu Deinen wertvollsten Mitarbeitern und besten Kommunikatoren im Unternehmen werden. Setz Dir also Deinen Mentoren-Hut auf und mach das möglich!

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Martin Schmidt

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