In meinem Broterwerbsjob als Trainer versuche ich jeden Tag, arbeitssuchenden Menschen beizubringen, wie wichtig es ist, sich einerseits die richtigen Ziele und andererseits auch die Ziele richtig zu setzen. Der berühmte Unterschied zwischen Effektivität und Effizienz kommt in diesem Satz wieder einmal zum Vorschein, den ich übrigens für ungefähr genauso bescheuert halte, wie die ganze Sache mit dieser Zielsetzerei über die ich den Leuten täglich erzähle.
Das Netz ist voll von Seiten, die Dir die SMART-Methode erklären. Die Wörter und Erklärungen variieren dabei immer ein wenig, im Großen und Ganzen geht es aber darum, dass Ziele spezifisch, messbar, attraktiv oder akzeptiert, realistisch und terminiert sein sollen.
Fast jeden Tag auf´s Neue bringe ich diese Methode auch meinen Zuhörerinnen und Zuhörern näher. Doch in letzter Zeit erhöht sich die Anzahl der Tage, an denen ich denke, dass das einfach nur absoluter Bullshit ist. Eine Methode, die unser Leben in Schubladen steckt und die keinen Raum für Kreativität lässt.
Klar, für Leute, die sich noch nie mit dem Thema Zielsetzung beschäftigt haben, ist die Erklärung von SMART sehr hilfreich. Ebenso hilfreich wäre es jedoch, wenn man diesen Leuten dann gleich im Anschluss an die Erklärung sagt, dass sie diesen Bullshit gleich wieder vergessen sollen, weil es ungefähr so ist, wie wenn ich einem jungen Burschen erkläre, wie er vorgehen muss, wenn er das erste Mal mit seiner Freundin rammelt. Gut, wenn man die theoretische Erklärung einmal gehört hat und vielleicht einmal jemand anderen bei der Umsetzung zusieht (es gibt angeblich Seiten im Netz, wo man Leute beim koitieren in vielen Variationen beobachten kann), für die Praxis jedoch zu mindestens 99 % irrelevant, wenn das erste Mal die nackte Mieze vor einem liegt.
Nicht anders verhält es sich doch bei den Zielen. Ich kann mir noch so toll vornehmen, dass ich mir einen neuen Job suche, und klar ist das spezifisch, wenn ich auch noch ausformuliere, welcher Job es denn sein soll. Aber gleichzeitig ist es auch schon wieder einschränkend. Denn wenn auf einmal mitten in meiner Suche ein Jobangebot auftaucht, wo ich mir denke, Yeah, that´s it, aber FUCK, das ist leider außerhalb meiner Zielspezifikation, soll ich mich dann bewerben oder nicht?
Wenn ich mir vornehme, dass ich ein geiles und selbstbestimmtes Leben führen möchte und für die Messbarkeit mittels SMART keine geeigneten Indikatoren finde, soll ich dann nicht trotzdem versuchen, so ein Leben zu führen?
Muss mein Ziel wirklich immer attraktiv sein, oder muss man vielleicht auch einmal ein paar Meter durch die Scheiße waten, um zur grünen Wiese zu gelangen? Klar, entgegnen mir jetzt sicher die gläubigen SMARTIANER unter Euch, deshalb gibt es ja für A auch das zweite Wort „akzeptieren“. Also kannst Du es ja wenigstens akzeptieren, durch die Scheiße zu laufen. Doch was ist, wenn ich es nicht akzeptiere? Warum muss ich mir hier überhaupt diese dämliche Frage stellen?
Und was heißt denn jetzt schon wieder realistisch? Wenn wir Menschen immer realistisch gewesen wären, dann würden wir heute noch in der Höhle sitzen oder wären schon längst ausgestorben, hätten aber zumindest nicht so geile Dinge wie das Rad oder Facebook erfunden, oder? Also haut mir bitte ab mit Realismus, der ist der Killer jeder Kreativität. Wenn ich mir vornehme, dass ich in meinem Leben noch eine Million Bücher verkaufen werde, ist das jedenfalls viel motivierender für mich und mehr Antrieb, als wenn ich sage, nächsten Monat könnte ich mich von 180 auf 196 Exemplare steigern, da gebe ich doch einen Furz drauf.
Bleibt noch die Terminierung. Klar, was keinen Endzeitpunkt hat, motiviert mich nicht und lässt mich auch nicht ans Werk gehen. Aber ganz ehrlich: wenn ich mir für etwas einen Endzeitpunkt setze und einfach keinen Bock auf die Umsetzung habe, dann bringt mir der ganze Termin nichts. Im Gegenzug werde ich sofort mit etwas beginnen, wenn ich einfach geil drauf bin, dass ich es erreiche oder habe. Wenn ich morgen auf ein Bierchen gehe und in einem Lokal die Frau meiner Träume sehe, dann pfeife ich auf SMART und auf Terminsetzerei, dann geh ich da hin und quatsch die Dame an, so einfach ist das. (Nicht ich persönlich, denn ich habe ja die Dame meines Herzens schon zuhause…).
Und trotzdem werde ich mich morgen wieder vor meine Gruppe hinstellen und ihnen ein wenig über SMART erzählen. Weil sie erst wissen müssen, was SMART ist, damit sie entscheiden können, in welchen 2 % der Fälle SMART sinnvoll ist und in welchen 98 % der Fälle sie sich diese Methode auf ihren Arsch kleben können. Aber ich werde das morgen mit den Gedanken an diesen Blog auf jeden Fall mit einem Grinser im Gesicht erklären und ich werde auch dezente Hinweise darauf geben, dass das, was ich da im Moment gerade so schwafle, unter Umständen auch absoluter Bullshit sein könnte. Genauso wie das, was ich hier im Moment gerade schreibe, diese Entscheidung liegt nun ganz alleine in Deiner Hand.
Fazit: setz Dir Ziele, aber vergiss dabei nicht, Dein Leben zu leben und Spaß zu haben. Am Ende wirst Du Dir nämlich nicht die Frage stellen, ob Du immer alles SMART erledigt hast, sondern wohl eher, ob Dein Urlaub am Planeten Erde „Gefällt mir“-Status erreicht hat.

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