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Umgang mit Stinkstiefel Teil 4: Der Zögerer

Es ist natürlich, etwas aus unterschiedlichen Gründen zu verschieben oder irgendwann bei einer Sache einmal stecken zu bleiben. Vielleicht findest Du eine Aufgabe langweilig oder Du weißt nicht genau, was von Dir eigentlich erwartet wird. Oder Du bist ein Perfektionist und das Ergebnis ist einfach noch nicht gut genug für Dich oder auch für jemand anderen. Gelegentlich ist es auch ein Ergebnis von schlechtem Zeitmanagement, wenn Du wieder einmal zu viele Dinge gleichzeitig erledigen möchtest.

Solche Verhaltensweisen stecken in fast jedem von uns und sind vorübergehend kein Problem. Der Zögerer, über den ich hier schreibe, fragt aber fast immer, ob er mehr Zeit für die Erledigung seiner Aufgaben haben könnte. Auf ihn kann man sich einfach nicht verlassen, wenn es darum geht, wichtige Deadlines einzuhalten. Besonders problematisch wird es bei Gruppen- oder Projektarbeiten, wenn sich ein Zögerer im Team befindet. Die Produktivität leidet und es ist noch etwas Heimtückischeres im Gang: die Harmonie am Arbeitsplatz wird untergraben. Andere Kollegen, die ständig einspringen, um die vorgegebenen Deadlines doch noch zu halten, haben allen Grund, sauer zu sein. Denn neben ihren eigenen Aufgaben müssen sie jetzt noch weitere erledigen, während der Zögerer nicht einmal seine eigenen Dinge auf die Reihe bekommt, geschweige denn irgendwann einmal etwas von einem Kollegen übernehmen könnte. Der Rhythmus vom Geben und Nehmen gerät so aus dem Takt, weil der Zögerer einfach ein Drückeberger oder/und ein Faulpelz ist.

Als Führungskraft heißt das für Dich, dass Du Dich schön ins Mikromanagement begeben darfst, wenn Du einen oder mehrere Zögerer in Deinem Team hast – auch wenn Dir das wohl keine Freude bereitet. Wenn ein Zögerer das Klima in Deinem Team vergiftet, musst Du Dir nämlich die Frage stellen: Wer ist verantwortlich für den Laden hier? Der Zögerer oder ich?

Anders als der Quengler, der mehr eine Belästigung für die anderen ist als ein direkter Schadensverursacher, benötigt der Zögerer ständige Beobachtung. Über den Umgang mit Zögerern gibt es jede Menge Informationen – Bücher, Blogs, Videos. Das Schlagwort dafür ist meistens „Prokrastination“. Je kreativer man im Umgang mit dem Zögerer ist, desto größer sind die Chancen für eventuelle Fortschritte.

Beispiel:

„Es wird Zeit für eine Verhaltensänderung!“ sagt der Teamleiter Oliver zu seinem Mitarbeiter Hannes. „Wenn wir endlich damit aufhören, zu sagen, dass wir das nicht schaffen und stattdessen endlich an die Arbeit gehen, dann können wir das Konzept noch bis zum Abgabetermin am Donnerstag fertigstellen!“.

Hannes aber ist der Meinung, Oliver hat unrealistische Erwartungen und glaubt keine Sekunde daran, dass sie die Frist halten können. Er klickt das Konzept weg von seinem Bildschirm und bearbeitet stattdessen in der Zwischenzeit ein paar interne E-Mails und arbeitet dann eine Zeit lang an einem anderen langfristigen Projekt weiter, bevor er er sich doch wieder dazu entschließt, das Konzept auf den Bildschirm zu holen.

Er sieht nicht, wie Oliver den Raum betritt, aber Oliver sieht, dass Hannes verzweifelt auf den Bildschirm starrt und den Kopf schüttelt. „Lass mich Dir helfen!“ schlägt Oliver vor. „Beginne doch einfach einmal mit dem Kapitel, wo wir das eingesetzte Personal beschreiben sollen. Da haben wir doch auch schon viel aus anderen Werken und das hast Du im Nu fertig. Konzentriere Dich einfach darauf und sieh zu, dass Du nur das heute noch fertig bekommst.“. Langsam – und mit verzweifeltem Gesichtsausdruck – macht sich Hannes an die Arbeit.

Welche Schäden richten Zögerer an?

  • Zögerer haben Probleme damit, mit etwas zu starten. Wenn ein Zögerer nun eine gute Idee hat, besteht die Gefahr, dass nie jemand davon erfährt. „Ich weiß nicht, wie ich das anfangen soll, also wie soll ich jemandem davon erzählen?“. Genau diese Angst hält ihn davon ab, seine Ideen zu teilen.
  • Außerdem teilt der Zögerer seine Idee nicht mit, weil er es einfach so mit allen Dingen macht. Das Ergebnis: er ist einfach kein High-Performer. Verglichen mit seinen Kollegen ist er meistens am unteren Ende der Leistungsskala zu finden.
  • Zögerer sind Chamäleons, die Dich oft in die Irre führen. Typischerweise ist der Schreibtisch eines Zögerers unaufgeräumt (Das heißt nicht, dass andere Mitarbeiter kein Chaos auf ihrem Schreibtisch haben). Er hat einfach keine Zeit, um ihn aufzuräumen. Sein Plan, mit allem erst morgen zu beginnen, beeinträchtigt sein gesamtes Leistungsvermögen. Du kannst den Zögerer auf ein Zeitmanagement-Seminar schicken oder ihm einen Coach zur Seite stellen. Letztendlich bekämpfst Du damit meistens aber nur die Symptome. Sinnvoller beim Zögerer ist es jedoch, direkt die Ursachen anzusprechen (welche das sein können, schreibe ich noch in der Zusammenfassung am Ende). Als Oliver zu Hannes gesagt hat, er soll sich nur auf dieses eine Kapitel konzentrieren, war er nicht besorgt über seine fachlichen Qualitäten. Aber er weiß, wie schwer es Zögerern fällt, mit etwas zu starten.
  • Zögerer haben Angst vor dem Scheitern und versuchen, ihre Unzulänglichkeiten zu verbergen. Offensichtlich haben sie größere Angst, etwas falsch zu machen, als eine Deadline zu versäumen. „Ich kann nur Kurzbeschreibungen verfassen, aber so ein großes Konzept überfordert mich einfach.“ sagt Hannes zu sich selbst, erzählt aber Oliver nichts davon. Damit steckt er in einem doppelten Dilemma: seinem schlechten Selbstmanagement und seinen verbesserbaren Schreibskills. Oliver bräuchte Röntgenbrillen, um dieses Drama gänzlich zu durchschauen und Hannes bei seinen Problemen weiterzuhelfen, die er durch sein Schweigen noch ständig vergrößert. Einen Zögerer zu führen ist einfach ermüdend und oft will man einfach nur noch aufgeben.
  • Es kostet zusätzliche Zeit, sich um den Zögerer zu kümmern. Seine Kollegen machen den Job einfach besser und effizienter und benötigen dabei viel weniger Input von ihrer Führungskraft. Was könnte Oliver alles in der Zeit machen, wo er sich um Hannes kümmern muss?

Welche konkreten Handlungsempfehlungen gibt es für den Umgang mit Zögerern?

  • Schließe den Zögerer mit einem anderen Team-Mitglied zusammen. Das überwindet in den meisten Fällen die Startschwierigkeiten des Zögerers. Die Dynamik einer solchen Partnerschaft, vor allem die geteilte Verantwortung, hilft dabei, die Zweifel des Zögerers zu beseitigen. Es ist einfacher für einen Zögerer, seinen Partner um Rat zu fragen und um Hilfe zu bitten, als ständig bei seinem Vorgesetzten vorstellig werden zu müssen. Der beste Partner wäre natürlich ein energiereicher Kollege, da er gewissermaßen einen „Cheerleader-Effekt“ auf den Zögerer bewirken würde.
  • Sei dem Zögerer bei seinem Zeitmanagement behilflich. Die Beteiligung ermöglicht es dem Zögerer, Entscheidungen zu treffen. Ein Satz wie „Lass uns zuerst mit den einfachen Dingen beginnen, damit wir ein paar Erfolgserlebnisse haben!“ bringt den Zögerer in Schwung und stärkt mittelfristig auch sein Selbstvertrauen.
  • Zögerer sind überfordert von zu großen Aufgaben. Es ist daher wichtig, sie in kleine Portionen zu teilen. „Bitte schule den neuen Kollegen ein!“ ist meistens eine zu große Aufgabe für einen Zögerer. „Bitte zeig dem neuen Kollegen heute zuerst unsere Büros und erkläre ihm nachher unsere Dateistruktur auf dem Server!“ ist schon viel leichter zu verdauen und umzusetzen. Aufzählungen mit Erstens, Zweitens,… sind ebenfalls sehr hilfreich.
  • Feiere die kleinen Siege mit dem Zögerer! Ein Zögerer ist nicht stolz auf sein Verhalten, wenn er es einmal erkannt hat. Er ist einfach getrieben von seinen Zweifel und Ängsten. Daher ist es umso wichtiger, sie zu loben und zu bestätigen, wenn sie etwas gut und richtig und sofort gemacht haben. „Das hast Du wirklich toll hinbekommen mit dem Kapitel heute, Hannes!“ sagt Oliver, als er sieht, dass Hannes wirklich damit fertig geworden ist. Das Ergebnis: Hannes fühlt sich gleich um einen Kopf größer und geht an die nächsten Aufgaben mit mehr Selbstvertrauen heran.
  • Erwarte vom Zögerer keine 180-Grad-Wendung! Er wird immer ein Zögerer bleiben, aber das Verhalten ist zumindest so weit verbesserbar, dass er im Vergleich zu seinen Kollegen nicht abfällt. Vielleicht hat der Zögerer ein Talent oder eine Fähigkeit, die ihn von seinen Kollegen unterscheidet und die ihn wertvoll macht. Dann ist er ein mindestens ebenso wichtiger Teil des Teams wie seine Kollegen. Andernfalls, und wenn mittelfristig keine Verbesserungen erkennbar sind, solltest Du allerdings auch eine Kündigung in Erwägung ziehen.

Zusammenfassend:

Zögerer am Arbeitsplatz entstehen meistens, wenn Angestellte

  • unzureichende Informationen oder Fähigkeiten haben, um eine Aufgabe zu erledigen.
  • zu viele Tätigkeiten in zu kurzer Zeit erledigen sollen.
  • schlechte Zeitmanagement-Skills haben.
  • in schlechter körperlicher Verfassung, schwach oder müde sind.
  • Angst davor haben, Fehler zu machen.
  • sich fürchten, kritisiert zu werden.
  • ein negatives Selbstbild bzw. ein gering ausgeprägtes Selbstbewusstsein haben.
  • nicht geeignet für den Job, nicht gefordert oder gelangweilt sind.

Chronische Zögerer haben sehr lange etablierte Verhaltensmuster. Enge Freunde oder Bekannte gehen schon davon aus, dass diese Personen beispielsweise zu spät ins Kino oder zu sonstigen Verabredungen kommen. Weder die Freunde noch der Zögerer wissen jedoch die Gründe dafür. Versuche, das Verhalten durch Beseitigung einer der oben genannten Ursachen zu beseitigen bzw. zu lindern, haben meistens größeren Erfolg als andere Maßnahmen. Du kannst den Zögerer beispielsweise auf ein Zeitmanagement-Seminar schicken, aber wenn er Angst davor hat, Fehler zu machen, wird ihm das nicht viel helfen und er wird weiter zögern. Es geht also immer daran die Wurzel des Problems herauszufinden, um dem Zögerer auf die Sprünge zu helfen.

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Martin Schmidt

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