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Umgang mit Stinkstiefel Teil 10: Das Übersensibelchen

Vorhang auf für die Drama-Queen! Das Übersensibelchen fühlt sich schnell im Unrecht und bei Kritik öffnen sich schnell einmal die Tränenkanäle. Robustere Kollegen können das nur schwer nachvollziehen. „Was hat er denn jetzt schon wieder?“ oder „Das kann er jetzt aber wirklich nicht ernst meinen!“ sind dann Aussagen, die man hört, wenn das Übersensibelchen seinen Gefühlen wieder einmal freien Lauf gelassen hat. Oft sind solche Sätze nur eine Verteidigung für Schikane oder Mobbing, aber das soll hier nicht das Thema sein.

Übersensibelchen nehmen ihren Job sehr ernst und da kann es schon vorkommen, dass sie sich Kritik etwas zu viel zu Herzen nehmen oder unnötig aufbauschen. So sind sie eigentlich auch immer kurz davor, die Zusammenarbeit zu beenden, weil sie ihre Enttäuschungen nicht gut verarbeiten können und als Lösung immer nur „Ich kündige!“ rufen.

Beispiel:

Kerstin erzählt Sascha, dass ein Kunde für die Erstellung einer neuen Verkaufskampagne extra nach ihm gefragt hat. Dem Kunden geht es darum, für sein neues Herren-Jeans-Modell etwas „Frisches“ zu machen, um die Jeans entsprechend am Markt zu platzieren. „Der Kunde will etwas komplett anderes als beim letzten Mal!“ sagt Kerstin noch beiläufig zu Sascha. Sie denkt, dass sich Sascha sicher sehr geehrt fühlen wird, von dem Kunden eigens ausgesucht worden zu sein, doch dem ist nach der ersten Euphorie die Laune gleich wieder vergangen: „Was soll das heißen, dass er etwas komplett anderes möchte als beim letzten Mal? Als wir ihm die Kampagne damals vorgestellt haben, war er doch komplett begeistert!“. Ungläubig schüttelt er den Kopf und zieht sich mit gesenktem Kopf in sein Büro zurück. An diesem Tag beantwortet er keine E-Mails und vom Telefon hebt er auch nicht ab, wenn man etwas von ihm braucht. Kerstin weiß, dass es wieder einmal so weit ist…

Sascha fokussiert sich auf die negativen Aspekte, statt sich zu freuen. Doch im Moment hat es keinen Sinn, ihn damit zu konfrontieren. Er schwelgt jetzt eine Zeit lang in seinem Elend und nach einer angemessenen Schmollzeit kümmert er sich dann endlich um den neuen Auftrag. Kerstin hat sich damit arrangiert, auch wenn sie nie genau vorhersagen kann, warum und wann ihm wieder etwas aus der Fassung bringt. Jedenfalls ist es sinnlos, ihm in dieser Phase irgendwelche Deadlines zu setzen.

Das wäre ja für Kerstin alles noch erträglich, aber mit Janine hat sie noch ein zweites Übersensibelchen im Team. Wenn Janines Arbeitswelt wieder einmal zusammengebrochen ist, geht sie früher von der Arbeit heim und kommt später. Wenn sie sich dann wieder anerkannt und wertgeschätzt fühlt, bleibt sie auch oft am Abend länger oder arbeitet sogar sonntags, um ihre Arbeit fertig zu bekommen. Sowohl Janine als auch Sascha sind sich selbst sehr strenge Lehrmeister, die höchste Anforderungen an ihre Arbeitsleistung stellen.

Welche Schäden richten Übersensibelchen an?

  • Erlöse können sich verringern oder ganz ausfallen, wenn die Dinge nicht in der vorgegebenen Zeit geliefert werden. Kunden sind einfach enttäuscht, wenn getroffene Vereinbarungen nicht eingehalten werden und das Unternehmen verliert seinen guten Ruf.
  • Übersensibelchen torpedieren das gute Kommunikationsklima im Unternehmen, weil sie immer besondere Behandlung erfordern. Auch wenn man es gar nicht bewusst macht, aber im Umgang mit dem Übersensibelchen legt man jedes Wort auf die Waagschale, um nicht das nächste Drama heraufzubeschwören. Dieser Krampf kann auch dazu führen, dass Ideen nicht mehr entwickelt und/oder ausgetauscht werden. Wenn Du Dir über Dein Übersensibelchen Gedanken machst und überlegst, ob er dem Unternehmen tatsächlich Geld, Erfolg und Ansehen kostet, ist das aufgrund fehlender objektiver Messkriterien nur sehr schwer einschätzbar. Aber Dein Bauch wird Dir vermutlich als Antwort „Ja!“ geben.
  • Verzögerungen haben einen Domino-Effekt. Sascha suhlt sich noch in seinem Elend, während die Producer auf sein Briefing warten. Das Studio, das für die Dreharbeiten gebucht wurde, muss storniert und neu gebucht werden. Die Mediaplanung muss überarbeitet werden, weil der Spot nicht rechtzeitig fertig wird, um ihn auch zu schalten. Du siehst, wo das hinführt. Das Übersensibelchen ist in keiner Vakuum-Verpackung, sondern beeinflusst seine Umgebung mit seinem Verhalten maßgeblich. Kostenüberschreitungen und schlechtes Arbeitsklima sind die möglichen Folgen.
  • Möglicherweise lässt Dich das Übersensibelchen irgendwann in einer heiklen Phase im Regen stehen und kündigt wirklich. Das kann ziemlich niederschmetternd und aufreibend sein, wenn sich nicht schnell adäquater Ersatz auftreiben lässt und so Aufträge und Kunden dauerhaft verloren gehen.
  • Übersensibelchen haben keine Leader-Qualitäten, weil sie dafür zu dünnhäutig sind. Wenn es wirklich einmal erforderlich ist, ihn in eine Rolle zu versetzen, in der er andere anweisen ist, braucht er auf jeden Fall einen Co-Leader, der ihm zur Seite steht und dickhäutiger ist, um die Stimmungsschwankungen auszugleichen und die Drama-Queen im Bedarfsfall wieder in die Spur zu bringen.
  • Übersensibelchen sind meistens Egozentriker! Es geht ihnen oft nicht um die Sache oder den Erfolg, sondern um sie selbst. Wenn ein Übersensibelchen beispielsweise in einem Meeting aufsteht und einfach rausgeht, dann macht er das nicht, weil er das Projekt gefährdet sieht, sondern weil er sich in seiner Ehre verletzt oder gekränkt fühlt. Das ist toxisch, wenn es darum geht, Teamspirit zu entwickeln oder hochzuhalten.

Welche konkreten Handlungsempfehlungen gibt es für den Umgang mit Übersensibelchen?

  • „Filtere“ Deine Botschaften an das Übersensibelchen. Kerstin hätte es dabei belassen sollen, Sascha mitzuteilen, dass der Kunde ihn gerne für die Werbekampagne engagieren würde und die negativen Aspekte einfach weglassen sollen.
  • Frage nach regelmäßigen Updates, vor allem wenn das Übersensibelchen wieder einmal in seiner Trotzphase ist. Lies Dir auch noch einmal die Tipps vom Zögerer durch. Die passen in vielen Fällen nämlich auch für die Drama-Queen.
  • Informiere alle Betroffenen rechtzeitig bei Verzögerungen, die das Übersensibelchen durch seine Art verursacht hat. Das verhindert zwar nicht, aber minimiert zumindest die Unannehmlichkeiten, die dadurch für alle entstehen. Das kostet zwar Deine Zeit, spart aber dafür eventuell die Deiner Kunden, Lieferanten oder Kollegen.
  • Erkläre dem Übersensibelchen die Auswirkung seines Verhaltens! Erinnere ihn daran, dass er kein Einzelkämpfer ist, sondern andere Leute von seinen Leistungen abhängig sind und auf ihn zählen, um ebenfalls gute Leistungen bringen zu können.
  • Arbeite mit Motivationsbotschaften! „Aufgegeben wird nur ein Brief“ ist zum Beispiel eine ziemlich einfache und klare Botschaft. Damit kann das Übersensibelchen etwas anfangen, wenn er wieder einmal daran denkt, aus dem Unternehmen zu flüchten, statt die Probleme beim Schopf zu packen. Solche Botschaften in Newsletter, Mail-Signaturen oder auf Plakaten kosten nicht viel und sprechen viele Leute an und zeigen dem Übersensibelchen, dass sein Plan einfach nicht akzeptabel ist.
  • Lass das Übersensibelchen im Zweiergespann arbeiten! Suche Dir dafür jemanden mit einer positiven Ausstrahlung, der sich für Dinge begeistern kann. Diese Begeisterung kann ansteckend wirken, sogar auf das Übersensibelchen. Die Schwierigkeit dabei ist aber, dass er dieses „zusammenspannen“ nicht als Spezialbehandlung, sondern als normale Team-Maßnahme versteht, sonst geht es nach hinten los und Du kannst ihn wieder für zwei bis drei Tage abschreiben…

Zusammenfassend:

Manchmal bist Du einfach nur noch fassungslos, wenn das Übersensibelchen schon wieder von irgendetwas aus der Bahn geworfen wurde. Solche Personen missverstehen Situationen oder Aussagen sehr oft, weil sie alles nur auf sich beziehen und auch die Schuld bei sich selbst suchen.

Du bist gut beraten, das Übersensibelchen immer wieder daran zu erinnern, wie wertvoll seine Arbeit für das Unternehmen und seine Kollegen ist. Zerlege diese Erinnerungen in so kleine Teile, dass er damit etwas anfangen kann: „Marc freut sich schon total auf Dein Briefing, damit er die passenden Schauspieler dafür casten kann!“ oder „Lisa kann es kaum erwarten, Deine Ideen zu hören, damit sie sich auf der Suche nach einer passenden Kulisse machen kann!“.

Sei ausführlich in Deinen Erklärungen, damit das Übersensibelchen verstehen kann, dass nicht jede Aussage oder Anweisung dazu da ist, ihn anzugreifen: „Als Marc gesagt hat, er ist sauer, hat er damit nicht gemeint, dass er sauer auf Dich ist, sondern darüber, dass er den Termin für das Casting verschieben muss!“.

Überlege für Dich, ob der Erfolg das Drama aufwiegt und entscheide, ob es den zusätzlichen zeitlichen und emotionalen Aufwand wert ist, weiter mit dem Übersensibelchen zusammenzuarbeiten.

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Martin Schmidt

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